10.10.2023

Karl Christian Felmy zum Gedenken (1938–2023)

Der Fachbereich Theologie an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg trauert um Prof. Dr. Dr. h.c. Karl Christian Felmy, der am Donnerstag, den 6. Juli 2023 mit 85 Jahren in Effeltrich verstorben ist.
Am 13.2.1938 wurde Karl Christian Felmy als Sohn des Pfarrers Karl-Albrecht Felmy und seiner Frau Helga, geb. Lange, in Liegnitz/Schlesien geboren. Evangelische Theologie studierte er in Heidelberg und Münster. Sein Interesse für die Kirchen des Ostens wurde in Münster durch Robert Stupperich gefördert. 1964 legte Felmy die 1. Theologische Prüfung in Bielefeld ab, danach bot ihm Stupperich die Stelle eines wissenschaftlichen Mitarbeiters am Ostkirchen-Institut in Münster an. 1972 veröffentlichte er seine Dissertation über das Thema »Predigt im orthodoxen Russland. Untersuchungen zu Inhalt und Eigenart der russischen Predigt in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts«. Felmy wechselte von Westfalen nach Bayern und absolvierte innerhalb der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern von November 1969 bis Juni 1971 sein Vikariat in Nürnberg, am 26.12.1970 wurde er ordiniert.
Im Juli 1970 folgte Felmy einer Aufforderung der EKD, die Stelle eines Referenten für Orthodoxie im Kirchlichen Außenamt in Frankfurt a. M. zu bekleiden. Auf diese Zeit geht seine Mitgliedschaft in den Kommissionen der EKD für das Gespräch mit dem Ökumenischen Patriarchat Konstantinopel und der Russischen Orthodoxen Kirche zurück. Als Mitarbeiter am Kirchlichen Außenamt und später als Kommissionsmitglied konnte er an zahlreichen Gesprächen zwischen der EKD und dem Ökumenischen Patriarchat bzw. zwischen der EKD und der Russischen Orthodoxen Kirche teilnehmen. Nach diesen Gesprächen war ihm klar, dass Ostkirchenkunde die Bekanntschaft mit der kirchlichen und geographischen Wirklichkeit einschließen muss. Dem dienten mehrfache Reisen nach Russland, Griechenland, Ägypten, Konstantinopel/Istanbul, Jugoslawien, Georgien und Armenien sowie zu orthodoxen Klöstern in Serbien und Makedonien. Im Jahr 1975 wechselte Felmy auf eine Assistentenstelle am Lehrstuhl für Geschichte und Theologie des christlichen Ostens in Erlangen. 1981 konnte er hier seine Habilitationsschrift abschließen. Sie behandelt »Die Deutung der Göttlichen Liturgie in der russischen Theo-logie. Wege und Wandlungen russischer Liturgie-Auslegung«. Sie galt damit einem erstaunlicherweise noch nicht bearbeiteten Thema, das für manche orthodoxe Theologen das zentrale Thema war. Nach kurzer Zeit im Pfarrdienst in Fürth erhielt Felmy einen Ruf auf eine C-3-Professur für Konfessionskunde an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg, die er bis Juli 1985 innehatte. 1985 erhielt er den Ruf nach Erlangen und wurde Nachfolger von Prof. Dr. Fairy v. Lilienfeld. Seine 1990 veröffentliche Arbeit »Die orthodoxe Theologie der Gegenwart. Eine Einführung« zählt zu den Meisterwerken der Darstellung der orthodoxen Theologie. Das Werk wurde in zahlreiche Sprachen übersetzt. Felmy war in Erlangen Herausgeber der Reihe OIKONOMIA: Quellen und Studien zur orthodoxen Theologie. Bei der vierten Auflage der RGG war er für die fachliche Bearbeitung des Themenbereichs Orthodoxie und orientalische Kirchen tätig.
Im Sommersemester 2003 las Felmy seine Abschiedsvorlesung. Auch nach seiner Emeritierung bot er weiterhin Veranstaltungen an und wurde als Referent zu Veranstaltungen an die FAU eingeladen. Auch hielt er Vorträge an den russischen Geistlichen Akademien in Moskau und Smolensk. Er war Mitglied in der Kommission für den Dialog zwischen der Evangelischen Kirche in Deutschland und der Russischen Orthodoxen Kirche, der Kommission des Lutherischen Weltbundes für den Dialog mit der Orthodoxie sowie der Gesellschaft zum Studium des Christlichen Ostens. Für sein wissenschaftliches Schaffen wurde er international ausgezeichnet: Im August 2005 erhielt er die Ehrendoktorwürde der Moskauer Geistlichen Akademie und im Oktober 2008 die Ehrendoktorwürde der Theologischen Fakultät Bukarest.
Im August 2007 konvertierte er zur Russisch-orthodoxen Kirche und diente seit 2011 als Diakon unter dem Namen Wasilij in der Russisch-Orthodoxen Kirche in Nürnberg. Dies, so schreibt er im Vorwort zur zweiten Auflage seiner »Einführung in die orthodoxe Theologie der Gegenwart«, habe nichts geändert an seiner »ursprünglichen Absicht, westlichen und östlichen Lesern den Reichtum der orthodoxen Theologie vorzustellen«.
Felmy prägte Generationen von Studierenden und hinterlässt eine Lücke in Erlangen, bei seinen zahlreichen Schülerinnen und Schülern, den Fachkolleginnen und -kollegen in der Geschichte und Theologie des Christlichen Ostens sowie in der deutsch- und russisch-sprachigen Ökumene. Wir schauen zurück auf sein Leben und sind dankbar, dass wir mit ihm in Erlangen und in der Ökumene ein Stück Wegstrecke gemeinsam gehen konnten.

Prof. Dr. Peter Dabrock, Sprecher des Fachbereichs Theologie