19.07.2022

Hans Georg Thümmel zum Gedenken (5. März 1932 – 13. Juli 2022)

Die Theologische Fakultät der Universität Greifswald trauert um Prof. Dr. Dr. Hans Georg Thümmel, der am 13. Juli 2022 im 91. Lebensjahr verstorben ist.
Hans Georg Thümmel wurde am 5. März 1932 in Görlitz geboren, wo er auch die Schule besuchte. Sein Interesse galt zunächst den Fächern Kunst, Geschichte und Physik. Unter dem Eindruck der Gemeindearbeit, an der er sich als Jugendlicher nach dem Krieg aktiv beteiligte, entschied er sich jedoch für ein Studium der Theologie, das er 1950 mit zwei Vorsemestern zum Erwerb der Sprachen in Leipzig begann. Ein Jahr später wechselte er nach Greifswald und hielt fortan der alten Universitätsstadt an der Ostsee die Treue. Prägend wurden für ihn der Systematiker Rudolf Hermann, der Philosoph Günther Jacoby sowie bald schon Klaus Wessel, der ihn für die Christliche Archäologie begeisterte. 1955 legte Hans Georg Thümmel das Diplom-Examen ab und begann, nach einem kurzen Ausflug in die klassische Archäologie, seine Tätigkeit am Victor-Schultze-Institut für Christliche Archäologie und Kirchliche Kunst an der Theologischen Fakultät. 1959 erfolgte die Promotion zum Dr. theologiae, 1966 die Habilitation. Sein weiterer akademischer Werdegang sah sich immer wieder mit den Restriktionen des Hochschulwesens in der DDR konfrontiert, die ihm wohl Grenzen auferlegen, Arbeitskraft und Lehrerfolg indessen nicht zu beeinträchtigen vermochten. 1990 fand er mit der Verleihung einer Professur für das so lange von ihm in Greifswald vertretene Fach endlich auch die längst überfällige Anerkennung. Die Öffnung der Grenzen lockte ihn in die Ferne, um alle die Orte der frühen Christenheit, die er bislang nur in der Literatur hatte aufsuchen können, nun auch mit eigenen Augen zu sehen. Zudem ermöglichten die veränderten politischen Verhältnisse 1992 noch eine weitere Promotion im Fach Kunstgeschichte an der Universität Marburg.
In seinen Publikationen hat Hans Georg Thümmel stets eine große Bandbreite an Themen ausgeleuchtet. Er erweist sich darin als patristischer Kirchenhistoriker wie auch als Christlicher Archäologe und Kenner der christlichen Philosophiegeschichte. Nach Arbeiten über »Judas Ischarioth im Urteil der Alten Kirche des Westens und in der frühchristlichen Kunst« (Diss.) und »Studien zur frühchristlichen Grabeskunst« (Habil.) rückte zunehmend die Geschichte und Theologie des byzantinischen Bilderstreits in den Mittelpunkt seiner Forschungen. Für die Reihe »Kirchengeschichte in Einzeldarstellungen« legte er 1988 das Lehrbuch »Die Kirche des Ostens (3. und 4. Jahrhundert)« vor. 1991 und 1992 publizierte er seine Studien zu »Bilderlehre und Bilderstreit« sowie zur »Frühgeschichte der ostkirchlichen Bilderlehre«. 2005 folgte in der renommierten »Konziliengeschichte« (Paderborn) die Quellenedition über »Die Konzilien zur Bilderfrage im 8. und 9. Jahrhundert. Das 7. Ökumenische Konzil in Nikaia 787«. Hans Georg Thümmels intensive Beschäftigung mit der Petrus- und Paulusmemorie in Rom fand 1991 in einer umfassenden Monographie ihren Ausdruck. Mehrere Dutzend Aufsätze zu Patristik, Philosophie, Christlicher Kunst, Kirchenbau sowie Universitäts- und Lokalgeschichte machten seinen Namen weit über Greifswald hinaus bekannt. Im »Melanchthon Arbeitskreis« der EKU war er während vieler Jahre um den Dialog mit der Russischen Orthodoxen Kirche bemüht. Den Greifswalder Studierenden wusste er in seiner lebendigen Darstellungsweise nicht nur die kirchengeschichtlichen Epochen bis zum Mittelalter, sondern auch die Theologie der Ikonen sowie die Spiritualität der Ostkirche authentisch zu vermitteln.
Besondere Verdienste erwarb sich Hans Georg Thümmel um das Fachgebiet der »Christlichen Archäologie«. Damit schloss er an die Arbeit von Victor Schultze an, der in den Jahren 1884–1921 die Beschäftigung mit den Denkmälern der christlichen Frühzeit in die ureigene Arbeit der Theologie zu integrieren versucht hatte. Dieses Bemühen entwickelte er weiter. Umso schmerzlicher musste es für ihn sein, als das Fach 2005 den Sparmaßnahmen an der Universität zum Opfer fiel.
Eine Aufsatzsammlung zum 75. Geburtstag im Jahre 2007 führte unter dem Titel »Karpoi« noch einmal die breit gefächerten Forschungen vor Augen – anhand exemplarischer »Früchte« und ergänzt um eine Bibliographie der zurückliegenden 50 Jahre. Bis in sein letztes Lebensjahr hinein blieb Hans Georg Thümmel produktiv. In der Folge erschienen aus seiner Feder noch »Das Dekanatsbuch der Philosophischen Fakultät der Universität Greifswald 1456–1662« (2008) in deutscher Übersetzung, ein unterhaltsames Buch über »Greifswald. Geschichte und Geschichten« (2011), eine gelehrte Studie zu »Origenes’ Johanneskommentar Buch I–V« (2011) – und schließlich die große »Ikonologie der christlichen Kunst« in vier Bänden (2019/2020/2021/2022), die ein Vermächtnis aus vielen Jahrzehnten Forschung und Lehre darstellt. Bis an die Grenze der Drucklegung ist sein letztes Manuskript für »Das Dekanatsbuch der Theologischen Fakultät der Universität Greifswald 1624–1777« gediehen, das nun postum erscheinen wird.
Am 5. März dieses Jahres konnte Hans Georg Thümmel mit seiner Familie und einem größeren Freundeskreis seinen 90. Geburtstag noch einmal in gewohnter Weise feiern. Doch dann ließen die Kräfte zusehends nach. Am 13. Juli ist er zuhause in vertrauter Umgebung friedlich eingeschlafen.
Die Theologische Fakultät bewahrt ihrem langjährigen Lehrer und unermüdlichen Promotor für das Fach der Christlichen Archäologie ein dankbares und ehrendes Angedenken.

Für die Theologische Fakultät der Universität Greifswald
Prof. Dr. Christfried Böttrich