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Ausgabe:

Mai/2022

Spalte:

452–453

Kategorie:

Kirchengeschichte: Mittelalter

Autor/Hrsg.:

Bünz, Enno, Mütze, Dirk Martin, u. Sabine Zinsmeyer [Hgg.]

Titel/Untertitel:

Neue Forschungen zu sächsischen Klöstern. Ergebnisse und Perspektiven der Arbeit am Sächsischen Klosterbuch.

Verlag:

Leipzig: Leipziger Universitätsverlag 2020. 620 S. = Schriften zur sächsischen Geschichte und Volkskunde, 62. Geb. EUR 80,00. ISBN 9783960233060.

Rezensent:

Johannes Schilling

Die Erforschung der Klöster hat in den letzten Jahrzehnten großen Aufschwung genommen (vgl. meinen Beitrag »Reformation und Mönchtum«, ThLZ 132 [2007], 235–250). Mitteldeutschland ist eine besonders reichhaltige Klosterlandschaft. Insofern ist der Wunsch nach Klosterbüchern von Thüringen, Sachsen-Anhalt und Sachsen besonders groß; andererseits ist es verständlich, dass diese Klosterbücher – etwa im Vergleich zu solchen im nördlichen Deutschland – ein Vielfaches an Forschungsarbeit erfordern. Nun gibt es immerhin ein Angeld auf das zu erwartende Sächsische Klosterbuch.
Der Band sammelt die Erträge einer Tagung, die am 26. und 27. Oktober 2012 im ehemaligen Dominikanerkloster in Pirna stattfand. Neben dem Vorwort und einem reich annotierten Beitrag »Zur Einführung« der Herausgeber, der auch eine Karte mit den 73 Klöstern auf sächsischem Territorium enthält, versammelt der Band insgesamt 17 vorbereitende und begleitende Beiträge für das Klosterbuch. Ich greife im Folgenden einige grundlegende sowie für die Reformationsgeschichte besonders interessierende heraus. Heinz-Dieter Heimann, Herausgeber des Brandenburgischen Klosterbuchs (vgl. dazu ThLZ 133 [2008], 1202–1204), zieht unter dem Titel »Klosterbücher überall – und was nun?« eine »Zwischenbilanz im Blick voraus« (21–39). Er sucht nach Gründen für die Konjunktur der Klosterbücher, stellt ihre Genese dar, reflektiert die Forschungsgeschichte im Kontext von Geschichtspolitik und zeigt sich überzeugt, dass auch Klosterbücher geeignet sind, Geschichte für die Gegenwart zu er­schließen. Enno Bünz, »Sachsens berühmtester Mönch – Johann Tetzel aus Pirna« (41–81), ist für die Ge­schichte Luthers und der Reformation von herausragendem Interesse. Der Beitrag ist, neben dem Jüterboger Katalog »Johann Tetzel und der Ablass. Begleitband zur Ausstellung ›Tetzel – Ablass – Fegefeuer‹ in Mönchenkloster und Nikolaikirche Jüterbog« (Berlin 2017) der Referenztext für alle künftige Beschäftigung mit dem Thema. Antje-Janina Gornig, »Die Niederlassungen der Antoniter in Mitteldeutschland – Legenden und Fakten« (139–227), stellt dieses Thema auf neuen Grund; für die Re­formationsgeschichte von besonderem Interesse ist es wegen der Wittenberger Niederlassung des Ordens und Wolfgang Reißenbuschs wegen, dem Luther zur Heirat riet. Hans-Peter Schmit behandelt den »Klosterhumanismus in Sachsen. Martin von Lochau, Abt von Altzelle (1493–1522), und das gelehrte Netzwerk zwischen Kloster Altzelle, Universität Leipzig und dem wettinischen Hof in Dresden« (377–424). Der materialreiche, terminologisch bedachte Beitrag zeigt die herausragende Stellung des Altzeller Abtes für die Verbindung von Kloster und Universität auf (Otto Clemens Arbeiten sollten auch nach der von Ernst Koch herausgegebenen Ausgabe seiner Schriften zitiert werden; S. 395, Anm. 78, Z. 5 von unten statt: Konvertierung lies: Konversion; S. 411, 412 und 417 sind die lateinischen Kasus durcheinandergekommen, S. 414 lies: Prutenus.)
Eine eigene Abteilung bilden vier Beiträge zu den Leipziger Klöstern, die auf eine Tagung über die Leipziger Dominikaner im Jubiläumsjahr der Universität Leipzig 2009 zurückgehen. Hartmut Mai stellt Baugeschichte und Ausstattung des Leipziger Dominikanerklosters vor (507–535), mit eigenen Photographien vor der Sprengung der Kirche 1968. Rudolf Hiller von Gaertringen entwickelt in seinem Beitrag »Die sogenannte ›Böhmische Tafel‹ als Legitimationsbild des Leipziger Dominikanerordens« »Hypothesen zu Entstehungsgeschichte und Deutung des bedeutenden doppeltseitigen Tafelbildes in der Kunstsammlung der Universität Leipzig« (537–562) und stellt die »böhmische« Provenienz der Tafel in Frage (S. 542 ist in der Legende zu Abb. 4 versehentlich »(Dominikus?)« stehengeblieben.). Jörg Voigt handelt von »Paulerregelnonnen und Barfussenschwestern. Beginen im Umfeld der Dominikaner und Franziskaner in Leipzig im 15. und 16. Jahrhundert« (563–575). An entscheidender Stelle gibt es hier ein Missverständnis: S. 565, Anm. 5 lies: professionem (statt: processionem). Die Frauen sollten keine Prozession in der Kirche machen, sondern ihre Profess zuerst in der Pfarrkirche leisten und ggf. »apud fratres« wiederholen. Damit sollte der entscheidende Wechsel der Lebensform in der Pfarrkirche bezeugt werden. Christoph Volkmar, »Pauliner und Wettiner. Beziehungsmuster zwischen Landesherr und Leipziger Dominikanern vor der Reformation« (577–593), zeigt die Bedeutung der Klöster für die Entwicklung und Festigung der Landesherrschaft.
Andere Beiträge gelten dem Servitenorden in Sachsen, der Prop-stei Hain und dem Kollegiatstift St. Georg in Zscheila, dem Zisterzienserkloster Buch, der Aufhebung der Johanniterkommende im Zittauer Land, dem Terminierwesen, Heterotopien in der Architekturlandschaft Karls IV., dem Benediktinerinnenkloster Remse, den Anfängen der Magdalerinnenklöster in Freiberg und Großenhain sowie dem Kloster Geringswalde (das Inhaltsverzeichnis ist auf der Website des Verlags einsehbar). Ein Register und ein Autorenverzeichnis stehen am Ende des Buches.
Die einschlägigen Beiträge sind quellengesättigt und auf dem Stand der Forschung, den sie in der Regel übertreffen, sie enthalten zum Teil Editionen von Urkunden und anderen Archivalien, Abbildungen und Karten und zeigen je auf ihre Weise, wie fruchtbar die unterschiedlichen methodischen Zugänge für die Erschließung des Gegenstandes sein können und sind: Hier wirken Landesgeschichte, Kirchengeschichte, Ordensgeschichte, Kunstgeschichte und Archäologie zusammen. Nicht alle Erkenntnisse aus den Forschungen werden in das Klosterbuch eingehen können, und schon gar nicht alle lassen sich kartographieren; der Band wird damit ein Begleitbuch zum Sächsischen Klosterbuch bleiben. Dass dessen angekündigtes Erscheinen noch nicht erfolgt ist, dürfte auch der gegenwärtigen Lage geschuldet sein – Leser des vorliegenden Bu­ches erwarten das Hauptwerk indes mit Geduld und Vorfreude.