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Ausgabe:

Januar/2020

Spalte:

17–34

Kategorie:

Aufsätze

Autor/Hrsg.:

Lukas Ohly

Titel/Untertitel:

Predigt als Kunst und Dramaturgische Homiletik. Bedenken aus systematisch-theologischer Perspektive.

I Wie frei ist christliche Verkündigung?

Obwohl nach reformatorischem Bekenntnis der Glaube aus der Predigt kommt, überrascht es, dass sich Predigtkonzepte in gewisser Regelmäßigkeit ablösen. Diese Bewegung könnte darauf aufmerksam machen, dass Predigtkonzepte sich damit selbst relativieren, wären da nicht die erklärten Sicherheiten aus den jeweils aktuellen Konzeptionen selbst, die wenige Auswege aus dem je­weils herrschenden Paradigma kennen. Doch was bedeutet es, dass es – zumindest historisch – kein eindeutiges Predigtkonzept gibt, obwohl der Predigt für die Entstehung des Glaubens eine zentrale Stelle zugewiesen wird?

1. Es könnte bedeuten, dass es für die Entstehung des Glaubens aus der Predigt letztlich gleichgültig ist, wie gepredigt wird. In diesem Fall werden die Kontexte der Predigt gegenüber ihrem Text priorisiert: so etwa, dass Predigten Reden im christlichen Gottesdienst sind oder dass sie sich auf einen oder mehrere biblische Texte beziehen; vielleicht auch, dass sie von einer Pfarrperson oder ordentlich eingesetzten Predigerin gehalten werden. In diesem Fall müsste man zurückfragen, warum es dann ausgerechnet Reden oder Texte sein müssen, die Predigten charakterisieren.

2. Man könnte auch anführen, dass die Inhalte, die gepredigt werden, zum Glauben führen. Diese Inhalte wären nicht beliebig, sondern orientierten sich daran, »was Christum treibet«. Dennoch wären sie auch nicht zeitlos, sondern müssten in die jeweilige Situation hineingesprochen werden, in der geglaubt werden soll. In diesem Fall wären Predigtkonzepte an ihre zeitgeschichtliche Si­tuation oder an den Gemeindekontext gebunden, wären darin nicht beliebig durch andere Konzepte austauschbar, aber in anderen sozialen Kontexten unbrauchbar. Auch in dieser Antwort entscheidet wieder der Kontext über das Konzept – und nicht der Inhalt. Rückzufragen wäre hier, woran man die jeweils kontextuell passende Imposanz eines Predigtkonzepts erkennt. Müsste man nicht die höchste Anzahl der zum Glauben Gekommenen zur empirischen Richtschnur erklären?

3. Oder man könnte antworten, dass Predigtstile bei aller Unterschiedlichkeit auf inhaltlicher Ebene Familienähnlichkeiten besitzen. Predigtkonzeptionen reflektieren diese Unterschiedlichkeiten im Hinblick auf weiterführende Perspektiven, die über das Zum-Glauben-Kommen hinaus aus irgendwelchen anderen praktisch-theologischen Gründen für interessant gehalten werden. Die wissenschaftliche Legitimierung von Predigtkonzepten könnte dann darauf hindeuten, dass sich die Homiletik für nicht-theologische1 Dimensionen der Predigt interessiert, aber für die Reflexion und Überprüfung der vorausgesetzten Familienähnlichkeit nicht zu­ständig fühlt, die allerdings eine Predigt überhaupt erst kennzeichnet.

Vom Standpunkt der Systematischen Theologie sind alle drei Antwortvarianten unbefriedigend. Sie entwerten den Textgehalt von Predigten und insbesondere den Wahrheitsgehalt ihrer Aussagen. Auch in der dritten Variante wird der Wahrheitsgehalt des Predigens unberücksichtigt gelassen. Das weist darauf hin, dass die Vielstimmigkeit von Predigtkonzepten kein Hinweis darauf sein darf, dass Predigen mehr oder weniger beliebig geschehen dürfe. Zumindest die Wahrheitsorientierung der Predigerin oder des Predigers ist nicht wählbar. Das bedeutet, dass die Predigtperson in der Verantwortung steht, den Wahrheitsgehalt christlicher Aussagen den Predigthörenden darzustellen.

Unbeschadet der Möglichkeit, dass Menschen auch ohne Predigt zum Glauben kommen, zielt Predigt darauf, dass Menschen dadurch zum Glauben kommen, dass sie vom Inhalt des Glaubens überzeugt werden. Das ist davon zu unterscheiden, dass Menschen von einer Predigt überzeugt werden. Nicht alles, was wahr ist oder plausibel, ist schon ein christlicher Wahrheitsanspruch. Eine überzeugende Predigt hat noch nicht zwingend eine christliche Wahrheitsorientierung. Aber umgekehrt gilt auch: Nicht alles, was wahr ist, ist schon überzeugend darlegt.2 Der christliche Glaube bedarf daher der kommunikativen Überzeugungsarbeit wahrer christlicher Aussagen.3

Muss diese Funktion ausgerechnet die Predigt ausfüllen? Kann sie nicht der Systematischen Theologie als Wissenschaftsdisziplin überlassen werden? Damit verbunden ist die Frage, ob Glaubende wissen müssen, dass das, was sie glauben, wahr ist und warum es wahr ist. Nehmen wir an, dass sie es nicht wissen müssten. Glaube kann auch als spirituelle Haltung (Vertrauen4), Anerkennung5 oder als intersubjektive Beziehung (Treue6) beschrieben werden. Selbst dann aber kann die Predigtperson nicht von ihrer Verantwortung absehen, dass ihre Predigt auch deshalb überzeugungsfähig ist, weil die christlichen Aussagen, die in ihr getroffen werden, wahr sind.

Diese Verantwortung kann nicht allein auf die Predigtvorbe-reitung begrenzt werden, sondern muss sich auch in der Predigt selbst ausdrücken.7 Hier ist an Henning Luthers Diktum zu erinnern, dass eine Predigt nur dann nicht manipulativ ist, wenn ihre Sprechakte kohärent sind, wenn also der illokutionäre und der perlokutionäre Sprechakt intentional aufeinander bezogen bleiben.8 Das bedeutet also, dass das, was die Predigerin aussagen will, mit dem übereinstimmt, was sie auf pragmatischer Ebene bei den Zuhörenden bewirken will.9 Deshalb ist die Predigt wahrheitsorientierte Rede von Gott, und zwar auch dann, wenn der Glaube selbst nicht wahrheitsorientiert sein mag oder wenn für die Glaubenden die Wahrheitsorientierung keine Priorität in ihrem Glauben hat. Der Glaube mag kommen, wie er kommt. Die Predigt soll aber so gehalten werden, als ob er durch sie kommt, und zwar deshalb, weil ihre Aussagen wahr sind. Es handelt sich hierbei um eine kommunikationsethische Verpflichtung, die auch dann einzuhalten ist, wenn der Glaube durch allerlei andere Predigtstile, man weiß nicht wie, kommt. Die Berufung auf den Heiligen Geist darf nicht vorschnell erfolgen, indem sie Predigtkonzeptionen gegen theologische Kritik immunisiert.10

Nun hat die Praktische Theologie ein »ästhetisches Paradigma«11 angenommen, das sich mit seiner Aufmerksamkeit auf das Performative auch auf die Homiletik auswirkt.12 In diversen Predigtzentren, Ausbildungs- und Fortbildungsprogrammen etabliert sich das Programm der sogenannten Dramaturgischen Homiletik, wie sie vor allem von Martin Nicol und Alexander Deeg konzipiert worden ist. Dieser Ansatz fokussiert sich auf den Performanzcharakter der Predigt in ihrer unmittelbaren Wirkung.

Indem Predigt zur Kunst wird, gestaltet sie neue Wahrnehmungen, anstatt Wahrnehmungen zu deuten oder Argumente zu prüfen.13 Sie zeichnet sich durch eine bilderreiche Sprache14 und Rezipientenorientierung15 aus; sie bildet Wirklichkeit, anstatt sie zu beschreiben.16 Wie verhalten sich diese Selbstansprüche zur wahrheitsorientierten und kommunikationsethischen Forderung, die ich vorne aus systematisch-theologischer Perspektive ermittelt habe? Der vorliegende Beitrag soll eine Klärung herbeiführen, in welches Verhältnis Kunst zu einer theologisch angemessenen Predigtkonzeption gestellt werden kann und sollte.

Dabei werde ich nicht Predigten analysieren, die mit der »Me­thode«17 der Dramaturgischen Homiletik konzipiert worden sind. Vielmehr untersuche ich die konzeptionellen Grundlagen der Dramaturgischen Homiletik, um zu untersuchen, inwieweit Wahrheitsorientierung und Kommunikationsethik dort aufgenommen sind. Eine interdisziplinäre Verständigung hierüber scheint mir deshalb dringlich zu sein, weil sich in der Vikarsausbildung inzwischen ein Trend abzeichnet, die Dramaturgische Homiletik als Anwendungsfall des ästhetischen Paradigmas selbst zum Paradigma zu erheben.18

Die Dramaturgische Homiletik hat die Vorstellung von Predigt als eines »offenen Kunstwerks«19 zur Voraussetzung. Offen daran ist nach den vorauslaufenden Konzepten jedoch die semiotisch be­gründete Anschlussfähigkeit jedes Interpretationsprozesses, ohne zur Beliebigkeit der Rezeption zu führen.20 In diesem Sinne setzt »Offenheit« sogar semiotische Determiniertheit jedes abgeschlossenen Zeichenprozesses voraus. Die Rezeption beginnt also erst, sobald das Zeichen gesetzt21 und damit determiniert ist. Demgegenüber nimmt die Dramaturgische Homiletik den Ereignischarakter des offenen Kunstwerks in Blick. Dazu bedarf es jedoch m. E. eigener theologischer Kategorien und einer Theorie über ihre Verhältnissetzung zur Ästhetik.

Zunächst (Abschnitt II) werde ich kurz die Konzeption der Dramaturgischen Homiletik skizzieren und vertieft an drei Momenten die Verschiebungen aufzeichnen, die sich durch das ästhetische Paradigma in der Homiletik ergeben. Dabei handelt es sich um 1. das zugrundeliegende christliche Wirklichkeitsverständnis, 2. die Rolle der Predigtperson und 3. die Rolle der Rezipienten. In Ab­schnitt 4 frage ich, wie diese Predigtkonzeption transformiert werden kann oder muss, damit sie als christlich verantwortete Rede von Gott gelten kann, die die regulative Idee zugrunde legt, dass durch sie Menschen zum Glauben kommen.

II Ästhetische Verschiebungen


Natürlich hat jede Predigt auch eine ästhetische Dimension. Un­terscheidet man Ästhetik, Ethik und die Dimension der Sachverhaltswahrheit (Dogmatik) kategorial statt nur qualitativ, so überlagern sich diese Dimensionen, ohne einander auszuschließen. Zur Verantwortung der Predigtperson für ihre Predigt gehört auch, die ästhetische Dimension zu reflektieren und auf ihre Predigtintention abzustimmen. Es geht also nicht um ein Entweder-Oder, theologisch sachgemäß oder in Achtung der ästhetischen Dimension zu predigen.

Andererseits können Predigten auch gefallen, begeistern und trösten, wenn sie theologisch unsachgemäß und kommunika-tionsethisch verfehlt sind. Der erste Fall ist gegeben, wenn die Sprache »feiert«22 und Bedeutungen generiert werden, die keinen außersprachlichen Referenten haben. Der zweite Fall hingegen ist erfüllt, wenn die Predigtperson nicht meint, was sie sagt – etwa weil sie ohnehin nichts mehr meint, weil der entsprechende Predigtstil keinen Raum für das Meinen und Begründen gibt.

In der Dramaturgischen Homiletik droht nun eine solche doppelte Verschiebung. Ihr Paradigma sind Künste mit zeitlichen Abläufen,23 vor allem der Film.24 Dementsprechend werden Predig­ten auf filmtechnische Möglichkeiten hin konzipiert, in »Moves«25 gegliedert und mit Montagetechniken26 »geschnitten«27. Flankiert wird diese Konzeptionalisierung durch das hermeneutische Mo­dell der Intertextualität,28 wonach Sinn immer auf Sinn bezogen ist und kein Außerhalb hat, das nicht wieder durch textliche Sinngenerierung imprägniert ist. Die Wahrheitsfrage verflüchtigt sich dann schnell in eine Sinnkohärenz, die wiederum auch textlich konstruiert sein kann.29

Die Dramaturgische Homiletik entwirft und verstrickt die Hö­renden in sprachliche Bilder. Was der Film visuell leistet, inszenieren Predigten mit bewegten Sprachbildern. Ebenso, wie der Film Szenen abbrechen lässt, können Predigtmoves abreißen oder durch neue Szenen überblendet werden, so dass man beides gleichzeitig vor dem geistigen Auge sieht. Ihre Virtualisierungstechnik besteht in Immersionseffekten, also darin, dass die Hörenden in virtuelle Realitäten eindringen, zu denen sich ihre leibliche Realität selbst n ur in einem virtuellen Abstand befindet. Anstelle, dass sie eine Botschaft »herunterbrechen« oder etwas »rüberbringen«30, also auch nicht über etwas reden,31 bilden solche Predigten vielmehr eine Wirklichkeit selbst. »Nicht die möglichst verlustfreie Botschaft, sondern die eigenständige Verortung aller Beteiligten im kommunikativ erschlossenen Raum eines Bibelworts ist das Ziel.«32 Ihr Maßstab ist somit nicht eine am Text abzugleichende Wirklichkeit,33 keine textexterne Dimension, sondern sie sich selbst. Solche Selbstschöpfungen von Maßstäben, an denen Bedeutungen gemessen werden, sind typisch für Virtuelle Realitäten.34

Die ästhetische Predigt ist nicht einfach die narrative Entfaltung eines biblischen Textes, sondern nimmt darin fiktive Sequenzen in Gebrauch, die sie konstatiert, ohne sie als Fiktion zu markieren. Diese Aussagen können je nach Interesse mit Faktenaussagen zum Tagesgeschehen kombiniert werden und mit möglichen szenischen Reaktionen darauf. Ob daraus eine kohärente Geschichte wird oder nur ein Ablauf, legt die Konzeption nicht fest. Zumindest ist es keine Botschaft, die die Moves zusammenhält.

Um nicht den Eindruck eines Klischees der Predigt als Kunst zu hinterlassen, aber auch um die theologische Virulenz dieses Predigtparadigmas einzuschätzen, möchte ich es im Folgenden im Hinblick auf drei Gesichtspunkte näher untersuchen.

1. Welches Wirklichkeitsverständnis liegt der Dramaturgischen Homiletik zugrunde?


Als Rechtfertigung einer performativen und nicht-explikativen Wahrnehmungsbildung wird der narrative Charakter biblischer Schriften selbst angeführt.35 Wie die Gleichnisforschung Jesu seit Jahrzehnten unterstreicht, haben insbesondere seine Parabeln einen »zentripetalen Charakter«36, der die Hörenden in die Wirklichkeit verstrickt, die in den Parabeln performativ gebildet werden. Die Gleichniserklärung wird dagegen der Redaktion durch die Evangelisten zugeschrieben.37 Damit ist gezeigt, dass performa-tive Textkompositionen zur Tradition christlich-religiöser Rede dazugehören oder gar für sie typisch sind. Dietrich Korsch sieht darin sogar das Charakteristikum der Verkündigung Jesu, seine Zuhörer in die Unmittelbarkeit der Gegenwart Gottes zu stellen, indem er sie verkündigt.38 Auch die ästhetische Predigt zielt auf Immersion der Hörenden in eine performativ gebildete Wirklichkeit. Sie können nur dann wirklich »draußen« bleiben, wenn sie nicht zuhören. Ich werde in der übernächsten Sektion auf die Position der Zuhörenden zurückkommen.

Nun schließt eine solche exegetische Beobachtung andere Sprechakte nicht aus. In der Bibel finden sich nicht nur narrative Texte, sondern auch Explikationen und theologische Denkmodelle. Zu­dem sind auch die narrativen Texte nicht nur performativer Art, sondern dienen unterschiedlichen Zwecken, etwa der Illustration oder dem geschichtlichen Erinnern. Gottes Wirklichkeit bildet sich biblisch also nicht nur, wenn sie ins Bild gesetzt wird, sondern lässt sich auch in Bezeugungen, Schilderungen, Behauptungen oder Argumentationen rekonstruktiv identifizieren. Das heißt auch, dass Gottes Wirklichkeit sich nicht nur bildet, sondern auch be­steht. Sie ist nicht nur Ergebnis immersiver Prozesse, sondern auch stabile Gegebenheit. Eine Fokussierung auf die wirklichkeitsbildende Di­mension Gottes reduziert die Vielfalt der Rede von Gott, indem sie andere Dimensionen ausblendet.

Es ist keine Frage, dass sich feste Sachverhalte oder Muster von Wirklichkeit auch narrativ entdecken lassen. Und auch der Spielfilm kann paränetische Elemente enthalten ebenso wie der experimentelle Film. Aber heißt das dann, dass »Künste mit zeitlichen Abläufen« im Vergleich mit Argumentationen, Behauptungen oder Be-zeugungen lediglich dasselbe anders ausdrücken? Besteht also im Sachgehalt eine Funktionsäquivalenz? Das würde nicht nur dem kulturwissenschaftlichen Zusammenhang von Form und Inhalt39 widersprechen, sondern auch der biblischen Rechtfertigung dieses Ansatzes. Denn die Gleichnisforschung sieht in den Gleichnissen Jesu analog zu ihrer Metaphorik keine pure sprachliche Verzierung, sondern eine Wirklichkeitserschließung, die erst den Boden für eine angemessene Wirklichkeitsbeschreibung bildet.40 Also müssen Sachverhalte, Muster und Paränesen von der ästhetischen Predigt selbst betroffen sein. Die ästhetische Predigt muss den Anspruch stellen, insofern religiöse Rede von Gott zu sein, als sie schöpferisch ist, also an der göttlichen Kreativität partizipiert.

In diesem Selbstanspruch droht jedoch Selbstüberschätzung. Wie soll sich die göttliche Kreativität einer Predigtkunst von anderen nichtgöttlichen ästhetischen Wirklichkeitsbildungen unterscheiden lassen? Lassen sich hierfür signifikante Kriterien finden? Der Verweis, dass der bloße Bibelbezug die Predigt als christliche Kunst kennzeichnet, lässt keine Unterscheidungsmöglichkeit zu ästhetischen, aber nicht-christlichen Bezugnahmen auf die Bibel zu. Analoges trifft zu, wenn man – wie im ersten Abschnitt angedeutet – wieder den Kontext Gottesdienst zum Differenzkriterium erhebt. Andere Funktionen des Gottesdienstes mit ästhetischer Qualität würden an Gottes Kreativität partizipieren, auch wenn sie es nicht wollten, etwa weil sie umgekehrt ihre Geschöpflichkeit und Unvollkommenheit zum Ausdruck bringen wollten. Wenn man überhaupt an den Predigtgehalten Signifikantes über die göttliche Predigtkunst anführen will, wird man Wahrheitsgehalte von Predigtaussagen benennen. Damit wird allerdings eine andere Kategorie bemüht als die des Ästhetischen. Und das erfordert zu­mindest, dass die ästhetische Predigt nicht nur (bewegte) Bilder erzeugt, sondern auch Aussagen trifft, die sich an der Wirklichkeit orientieren.

Aber noch einmal: welche Wirklichkeit? Die durch Inszenierung sich bildende oder die bestehende? Wer Intertextualität zum Letzthorizont von Sinn erklärt, wird diese Alternative nur für scheinbar halten: Natürlich generiert auch eine inszenierte Wirklichkeit ihre eigenen Sachverhalte, die deshalb bestehen, weil sie sich in der Inszenierung bilden. Der epistemologisch heikle Punkt daran ist, dass nach diesem Modell auch die Verifikation wahrer Aussagen von der Inszenierung selbst abhängt. Virtuelle Wirklichkeiten zeichnen sich dadurch aus, dass sie »immer recht« haben, weil sie kein Außen haben, an dem man sie überprüfen kann.41 Genauso wie die 80-prozentige Regenwahrscheinlichkeit im virtuellen Wettermodell immer wahr ist, gleichgültig, ob es regnet oder nicht,42 hat sich Paulus am Tag vor seiner Bekehrung an einer Schüssel Humus den Magen verdorben, und zwar genau dann, wenn der Move so konstruiert ist. Hinter dem intertextuell freischwebenden »Paulus« kommt man so nie zu Paulus, und Wahrheit ist nur eine textimmanente Transzendenz.43 An die Stelle der göttlichen Kreativität, die aus dem Wort Wirklichkeit entstehen lässt, tritt so ein selbstreferenzieller Epiphänomenalismus, der sich allerdings als ebenso kreativ ausgibt. Was Gilles Deleuze in seiner großen ontologisch angelegten Studie über den Film zeigt, überträgt er auch auf Virtuelle Realitäten: Sie erschaffen Indifferenz aus Realität und Imaginärem anstelle von Gegenständlichkeit. Denn »die objekti-vistischsten Bestimmungen können nicht verhindern, daß sie in eine ›totale Subjektivität‹ münden.«44

Um diese für die christliche Rede von Gott wenig überzeugende Konsequenz zu vermeiden, kann die Frage, an welcher Wirklichkeit sich die ästhetische Predigt orientiert, nicht allein mit Intertextualitätsverweisen zurückgewiesen werden. Will sie keine Aussagen über Bestehendes treffen, wird sie sich daher dafür entscheiden, die sich bildende Wirklichkeit performativ zu vollziehen. Aus systematisch-theologischer Perspektive scheint mir hierbei die Debatte zugrunde zu liegen, ob man die bestehende Wirklichkeit hamartiologisch als von Gott getrennt oder inkarnationstheologisch als mit ihm verbunden versteht. Wer das Bestehende als gottlos versteht, kann nur von Gott in seiner Offenbarung reden,45 während in-karnationstheologische Wirklichkeitskonzeptionen im Bestehenden göttliche Spuren ausmachen können. Die ästhetische Predigt wäre also der Versuch, gegen die bestehende Wirklichkeit via Inszenierung den schöpferischen Moment der Wirklichkeitsbildung vor Augen zu führen. Sie will unmittelbar wirken46 und eine Ambiguität für die kreative Aneignung anstatt geschlossener Botschaften bieten.47 Sie gibt nichts Sichtbares wieder, sondern macht sichtbar.48

Nun verfängt sich dieser Ansatz an demselben hamartiologischen Verdikt, dem es entgehen will. Mit Karl Barth kann es als religiöser Versuch der Selbsterlösung interpretiert werden.49 Denn warum sollte die Kreativität des Geschöpfs die Offenbarung sein, die sie braucht, um den Abstand zum Bestehenden zu erreichen? Es bedürfte dazu einer Theorie, wonach jegliches ästhetische Ereignis der göttliche Einbruch ins Bestehende ist. Eine solche Theorie ge­hört allerdings, vor allem in ihrer Generalisierung, selbst auf die Seite des Bestehenden.

Um beide theologischen Perspektiven in ihrem berechtigten Anliegen aufzunehmen, schlage ich vor, dass die Bildung von Wirklichkeit von den Wirklichkeitsgehalten kategorial zu unterscheiden ist,50 wobei sich alle Wirklichkeitsgehalte der Wirklichkeitsbildung verdanken.51 Der Unterschied zwischen Schöpfer und Geschöpf ist dann kein qualitativer, was Gott noch auf derselben Ebene mit seinen Geschöpfen vergleichbar machen würde (etwa im Sinne einer analogia entis, aber auch missverständlich als analogia fidei, sofern sie als Aufhebung des Widerspruchs verstanden wird,52 der angeblich nur auf qualitativer, aber nicht auf kategorialer Ebene aufgehoben werden kann). Vielmehr lässt sich Wirklichkeit in beiden Kategorien zu­gleich wahrnehmen, ohne dass eine Wahrnehmung auf die jeweils andere reduzierbar wäre. Gott geht in die Wirklichkeit der Fakten ein als das Widerfahrensmoment, in dem sie sich bilden. Ohne die Wahrnehmung dieses Widerfahrensmoments bleibt die Wirklichkeit theologisch stumm.53 Fakten wiederum sind nur dann Verweise des Widerfahrensmoments, wenn sie darauf aufmerksam machen, indem sie in ihrem Gehalt zurücktreten.54

Dennoch sind Fakten, was sie sind. Diese Feststellung ist selbst kein Faktum, weil sie sonst zirkulär wäre. Dass Fakten sind, was sie sind, verdankt sich vielmehr einem transzendenten Grund.55 Sie sind nicht etwa auf die Logik der Tautologie zurückzuführen, weil ebenso eine Tautologie ist, was sie ist. Daher sind Fakten in ihrer absoluten56 Beständigkeit theologisch zu beachten. Das Widerfahrensmoment zeigt sich ja in ihnen und nicht in etwas Beliebigem. Von ihm lässt sich konkret nur sprechen, wenn die Fakten respektiert werden, an denen es sich zeigt.

Zwar kann sich dieses Widerfahrensmoment an allem zeigen, das ist, was es ist. Somit können auch narrative Fiktionen theologische Repräsentationen dieses Widerfahrensmoments sein, das darin nicht fiktiv, sondern real auftritt. Fiktionen haben also immer einen Realbezug, auch wenn er kategorial verschieden von ihrer bestehenden Gegenständlichkeit ist. Darüber hinaus enthalten Fiktionen aber auch phänomenologisch allgemeine Wesensformen, ohne die eine Narration nicht nachvollziehbar wäre. Auch wenn die Magenverstimmung des Paulus fiktiv ist, wissen wir doch, was eine Magenverstimmung ist. Auch ein fiktiver Mensch ist ein Mensch, dessen Wesensformen nicht selbst fiktiv, sondern phänomenologisch unhintergehbar sind, wenn sie überhaupt verstehbar sind. Der Widerfahrenscharakter performativer Wirklichkeitsbildung hat damit einen unhintergehbaren Bezug zu Bestehendem. Oder anders: Auch wer hamartiologisch eine Diastase der göttlichen und der weltlichen Wirklichkeit unterstellt, kommt in seinen Darstellungen an inkarnationstheologischen Implikationen von Wirklichkeit nicht vorbei.

Das bedeutet, dass die drohende Selbstüberschätzung göttlicher Wirklichkeitsbildung in performativer Rede nur dann vermieden werden kann, wenn die Rede auch nachprüfbare Aussagen trifft, die ihre Verifikationsbedingungen außerhalb dieser Rede findet. Predigt ist dann aber nicht nur Kunst, sondern auch wahrheitsorientierte Rede von Gott. Sie ist nicht nur Wirklichkeitsbildung, sondern auch Darstellung bestehender Wirklichkeit; nicht nur Widerfahrnis, sondern auch dargestellte Verlässlichkeit von Tatsachen.

2. Die Rolle der Predigtperson


Die Predigtperson verschwindet hinter der Inszenierung. Sie ist Regisseurin, Kamera und Akteurin in einem. Allerdings platziert sie sich nicht in derselben Szenerie, die sie erschafft. Sie bleibt an der Realität nicht haften, die sie bildet. Nichts von alledem, was sie sagt, muss sie selbst meinen. Ob sie etwas Bildimmanentes meint, mögen die Predigthörenden mutmaßen. Aber da sich die Predigtperson als Person heraushält, ist ihre Rede nur als Kunstwerk auf sie zurechenbar, nicht jedoch in ihren Gehalten. Das Predigtnachgespräch wird also ein Gespräch zur Ästhetik sein, nicht aber über die Wahrheit oder Plausibilität von Aussageinhalten, die in der Predigt scheinbar auftauchten. Diese »Kommunikation des Evangeliums«57 ist zumindest kein Diskurs, sondern ein unverbindliches Schauspiel. Um das zu ändern, müsste die Predigtperson in eine an­dere Rolle springen, die etwas meint. So aber kippt die gewünschte Herrschaftsfreiheit der »Kommunikation des Evangeliums« in eine Form des Herrschaftsmonologs, bei der die Predigtperson wie bei Hase und Igel immer »schon da« ist und zugleich vor kritischen Einwänden pauschal ausweichen kann, weil sie nichts Verbindliches aussagt.

Hier wird gegen Henning Luthers Diktum verstoßen, dass die Sprechakte nicht auseinanderdriften dürfen, um die Hörenden nicht zu manipulieren. Diese Manipulation ist nicht primär der Predigtperson anzulasten als vielmehr dem in der vorigen Sektion rekonstruierten Wirklichkeitsverständnis der Dramaturgischen Homiletik. Das Prediger-Ich ist unauthentisch, wenn die Szenerie selbst nicht authentisch ist, weil in ihr die Kriterien für Authentizität abhanden gekommen sind. Sie selbst ist die Predigtperson nur noch bei der Predigtvorbereitung: Hier trifft sie theologische Entscheidungen, die sie jedoch hinter den ästhetischen Entscheidungen verbirgt. Damit macht sie sich in der Inszenierung theologisch unangreifbar, was die Einzelentscheidungen hinter den Moves be­trifft.

Wird dagegen, wie in der vorigen Sektion angemahnt, das Wechselspiel aus Wirklichkeitsbildung und bestehender Wirklichkeit beachtet, so ändert sich die Rolle der Predigtperson. Am ehesten entspricht der »Plot« dann dem Dokumentarfilm oder sogar -spiel, wo nicht nur filmische Darstellungsmittel genutzt werden, sondern auch Aufklärung geleistet wird. Mag die Predigt dabei immer noch den Rezipienten das Urteil überlassen, so bilden doch Fakten der bestehenden Wirklichkeit eine unhintergehbare Grundlage der Predigt. Die Predigtperson gibt sich als Expertin zu erkennen und nicht nur als Künstlerin. Im Hinblick auf ihr Expertenwissen kann sie befragt und kritisiert werden.

3. Die Rolle der Predigthörenden


Für die Hörenden ergibt sich eine dialektische Rolle: Einerseits wird ihre Mitwirkung am ästhetischen Prozess gestärkt. Sie werden am offenen Kunstwerk beteiligt.58 Andererseits werden sie ge­rade in ihrer Kritikfähigkeit beeinträchtigt, weil die Predigt keine Sachebene hat, die diskursiv verhandelt werden könnte. Kunst und Kritik gehören zwar zusammen,59 aber die Sachkritik an einzelnen Predigtaussagen läuft ins Leere. Allenfalls die Metadiskussion, ob Predigt überhaupt als Kunst zu gelten hat, bleibt den Hörenden übrig.

Verhandeln sie darüber hinaus im Predigtnachgespräch, ob die Bilder zutreffend gewählt sind, missverstehen sie entweder den Immersionseffekt, der kein Außen hat; die Bilder sind dann eben keine Abbilder einer äußeren Wirklichkeit. Folgerichtig wird Feedback bei Nicol in eine Sprachebene zwischen Ereignis und Kritik gehoben,60 wo der Immersionseffekt noch wirkt: »Ereignisse sind nur im Medium einer Sprache zu beschreiben, die ihrerseits mit dem Geist rechnet.«61

Oder sie treten in eine ästhetische Diskussion ein,62 bei der sie riskieren, für theologisch inkompetent gehalten zu werden: Denn der theologische Charakter liegt ja nicht in der bloßen Ästhetik, nicht im bloßen Bild, sondern im Widerfahrenscharakter des In-Erscheinung-Tretens des Bildes.63 Diesen wiederum zu verhandeln, setzt erneut die Meta-Diskussion zur Predigt als Kunst in Gang. Die folgerichtige Form der Kritik besteht daher darin, schweigen zu können.64

Ich betrachte diesen Eindruck unter diskursethischer Perspektive: In der ästhetischen Predigt werden die Zuhörenden immersiv in die Inszenierung eingebunden. Sie sollen folgen können.65 Innerhalb der Immersion gibt es keinen Raum für Kritik, weil sie sich dazu in der Rolle des unparteiischen Zuschauers66 befinden müssten, in der sie zugleich durch die Immersion nicht sein können. Jegliche Zuschauerkritik ist – als Zwischenbereich von Ereignis und Kritik – bereits ein Element des ästhetischen Prozesses selbst und bringt damit die Immersion nicht etwa zum Stoppen, sondern vertieft sie mit ihrer Reaktion. Wer immersiv in eine Situation eingebettet ist, kann sich nur im performativen Widerspruch67 gegen die festgelegte Rollenzuschreibung wehren, weil er die eigene im­mersive Eingebundenheit bestätigt, indem er sich distanziert. Für die Hörenden entsteht daher die Notwendigkeit, ihre Rolle im im-mersiven Prozess anzuerkennen, wollen sie sich ihm nicht pauschal verweigern.

Zum Vergleich: Wer einem Diskurs beitritt, besitzt interne Dis­tanzierungsmöglichkeiten, weil er nicht darauf festgelegt ist, einem Argument zu folgen. Er besitzt eine prozessinterne Autonomie, die auch von seinen Gesprächspartnern anerkannt wird. Hier besteht kein performativer Widerspruch, die Rolle zurückzuweisen, die von der Gesprächspartnerin mit ihrer Argumentation anvisiert worden ist. Anerkannt wird nur die Diskurswährung, nämlich dass Gründe den Ausschlag geben. Dazu haben sich aber alle Diskurspartner verpflichtet, wenn sie einen ernsthaften68 Diskurs führen wollen. Welche Gründe aber zählen, ist durch den Diskursbeitritt nicht a priori festgelegt worden und damit auch nicht, welche Rolle die einzelnen Gesprächspartner einnehmen. Vielmehr ist sogar zu erwarten, dass sie während des Diskurses wechseln.

Aber handelt es sich wirklich um eine Differenz? Man könnte gegen meine Ausführungen einwenden, dass ebenso, wie bei der ästhetischen Immersion jegliche Kritik im Kunstprozess aufgehoben bleibt, auch der Diskurs nicht in Frage steht, wenn einzelne Positionen darin zurückgewiesen werden. Somit hätte auch der Diskurs eine Immersionskraft, aus der man nicht mit Gründen ausbrechen kann, ohne die diskursinternen Regeln zu verletzen und dabei einen performativen Widerspruch zu begehen. – Ich stimme der angedeuteten Parallelität grundsätzlich zu. Entscheidend ist aber, dass Kritik an der Predigt in der ästhetischen Immersion transformiert wird: Auch wenn die Predigthörenden dabei theologisch argumentieren mögen, wird ihre Kritik immersiv ästhetisiert. Sie bleibt nicht theologisch, weil sich Predigt als Kunst nicht am Bestehenden orientiert und somit auch nicht am bestehenden Argument, sondern am Kunstereignis. Selbst die Metadiskussion kann immersiv eingefangen und ästhetisch aufgefasst werden. Darin besteht die Unausweichlichkeit der Rolle der Predigthörenden. Demgegenüber achten Diskurse, deren Währung allein Gründe sind, die Autonomie der Diskursteilnehmer, sich dort zu platzieren, wo sie sich platzieren wollen.

Wird unter »Kommunikation des Evangeliums« das Absenken von Rollenhierarchien verstanden,69 die etwa noch in der klassisch reformatorischen Formel »Verkündigung des Evangeliums« ge­mutmaßt werden, so setzt es sich im ästhetischen Paradigma durch den inszenierten Wechsel der Predigtperson um. In »Predigt Slam«-Wettbewerben oder Online-Foren werden beständig die Rollen ge­tauscht. Dieser Tausch ist jedoch in klassischen Paradigmen »Predigt als Verkündigung« oder »Predigt als Vortrag« ebenso möglich wie die Gattung der Kurzpredigt. Auch wenn das ästhetische Predigtparadigma hier faktisch für mehr Bewegung gesorgt hat, kaschieren diese Interaktionsflächen den grundsätzlich diskursrestriktiven Raum innerhalb ein und desselben Predigtprozesses. Ich kann nicht beurteilen, ob solche Veranstaltungen eher expertokratische Treffen einer Gesinnungsgemeinschaft sind oder wirklich eine Verbreiterung des christlichen Kommunikationsraums darstellen. Meine Bedenken richten sich nicht auf persönliche Milieus oder persönliche Verletzungen eines Diskursprinzips, sondern auf die gattungsstrukturellen Schwächen, über eine konkrete Predigt als Kunst theologisch diskutieren zu können. Es droht die Gefahr, dass zwar noch Kommunikation stattfindet, aber keine theologische Kommunikation und keine Kommunikation des Evangeliums.
Diese Schwächen lassen sich unter dem ästhetischen Paradigma beheben, wenn die Predigt argumentative Anteile enthält, die sich gegen einen ästhetischen Übergriff als widerstandsfähig erweisen. Solche Anteile mögen ein Fremdkörper im Kunstwerk sein, wenn sie nicht ihrerseits voll ästhetisiert zu werden drohen. Sie zeigen aber darüber hinaus an, auf welcher Ebene welche Art von Kritik möglich ist. Auch hier könnte der Dokumentarfilm eine Vorlage bilden.


II Wie lässt sich Predigt als Kunst theologisch erweitern

Die Familienähnlichkeiten aller Predigten werden durch das Evangelium von Jesus Christus gebildet. Was jedoch das Evangelium ist, müssen Predigerinnen und Prediger in ihrer theologischen Verantwortung beschreiben oder auch vor Augen führen. Während nun Beschreibungen semantisch auf ihren Gehalt festgelegt sind, den sie entweder wahr oder falsch repräsentieren, liegt der Schwerpunkt des Vor-Augen-Führens in der Performanz. Wer vor Augen führt, bildet nicht einfach Sachverhalte ab, sondern entwirft ein Bild, dessen Geltung wesentlich vom Rezipienten abhängt. Mit anderen Worten: Je nachdem, ob beschrieben oder vor Augen ge­führt wird, verschiebt sich die Verantwortung für die angemessene Repräsentation des Gehaltes auf entweder die Predigerin oder den Rezipienten. Zwar will auch Kirchliche Theologie in der Predigt den Rezipienten gewinnen; sie will »zum Amen provozieren«70. Doch ihr Mittel sind propositionale Aussagen, für die die Rednerin Verantwortung übernimmt.

Dass Ästhetik überhaupt etwas Theologisches repräsentiert, ist ohne eine Theorie nicht begründbar. Ansonsten liest sich ein solcher Satz als unkritisch dogmatisch: »Die Sprache der Poesie etwa ist dem Ereignis von Gottespräsenz in aller Regel angemessener als die Sprache der Begriffe.«71 In einer solchen Behauptung scheint die Gottespräsenz medial verfügbar zu sein. Gerade in ihrem flüchtigen Ereignis anstelle tatsächlicher Spuren lässt sie sich scheinbar eindeutig identifizieren. Schon dass eine Behauptung dieser Art theoriebasiert sein muss, wenn sie nicht als bloß beschwörende Formel oder konfessorisches Zeugnis zu lesen ist, hebt den Gegensatz von Poesie und Begriffen ebenso auf wie den zwischen Ereignis und Tatsachen. Ich hatte dazu in Sektion II.1 vorgeschlagen, solche Differenzen nicht als qualitative Gegensätze, sondern als kategoriale72 Unterschiede zu verstehen, die sich dann auf Situationen als Kopräsenzen beziehen können. Damit ist zweierlei gewonnen: Zum einen kann der theologische Charakter der Predigt kategorial eingeordnet werden. Nicht alles »Unverfügbare, Nichtmachbare«73 muss bereits eine göttliche Offenbarung sein. Wenn sich aber zeigen lässt, dass Menschen, wenn sie von Gott reden, auf den Widerfahrenscharakter von Erfahrungen hinweisen, der sich kategorial von ihren Gehalten unterscheidet, sie aber verwirklicht, so kann der theologische Charakter der Predigt identifiziert werden. Zum anderen ist damit das Widerfahrensmoment nicht frei schwebend, sondern eingebunden in die Welt der Tatsachen. Auch Nicol will nicht den »aussichtslosen Versuch« unternehmen, »den Vogel im Flug zu zeichnen«74. Da Ereignisse vielmehr eine Geschichte hätten, möchte Nicol ein Predigtgeschehen »theoretisch, praktisch und vor allem theologisch verantworten.«75 Für eine Theorie be­darf es aber einer Begriffssprache und für eine Theologie geeignete Signifikanzen. Die kategoriale Differenz von Widerfahrenscharakter und Gehalt, die sich im selben Ereignis einträgt, trägt zu dieser Klärung bei.

In der Dramaturgischen Homiletik wird die Predigt in die ex­pressiven Formen der Liturgie eingeordnet und verliert dadurch ihren explikativen Sonderstatus.76 Dadurch sollen wechselseitige Vereinseitigungen vermieden werden.77 Dabei wird unterstellt, dass Anwesendes zwar schon im Modus der Rede, nicht aber im Modus der argumentativen Entfaltung hervortritt. »Die ›Anamnese‹ erinnert nicht an Vergangenes, sondern vergegenwärtigt den auferstandenen Herrn. […] Predigt redet also von einem Anwesenden, gegebenenfalls mit ihm, keinesfalls aber über ihn, als ob er nicht da wäre.«78 Ist das sicher? Nicht nur Calvinisten werden hier widersprechen. Die hier zugrunde gelegte Theologie ignoriert die biblischen und existenziell erfahrenen Passagen von Gottverlassenheit. Mit einer kühnen Selbstsicherheit generiert hier die Predigt im Kunstereignis die Anwesenheit Gottes. Sie vergegenwärtigt ihn, indem sie vermeidet, über ihn zu reden. Oder, wie Deeg dialektisch vorschlägt, Gottes Unverfügbarkeit wird als Abwesenheit inszeniert.79 Woher weiß die Predigtperson dann, dass wirklich Gott als entzogene Präsenz80 erscheint, wenn sie doch über ihn nichts weiß oder, nicht weniger problematisch, ihr Wissen über ihn verheimlicht? Ihr bleibt dann nichts als eine trotzige und selbstreferenzielle Bezeugung, dass das Kunstereignis der Pre-digt Gott vergegenwärtigt, weil es ein Ereignis ist. Stattdessen müsste doch unterstellt werden, dass Gott ein Ereignis ist, nämlich der Widerfahrenscharakter des Ereignisses. Diese Unterstellung kommt aber nicht daran vorbei, Aussagen über Gott zu treffen. Zwar ist Gott kein Gegenstand, über den geredet werden kann, aber in kategorialer Differenz zu Gegenständen der Widerfah-renscharakter, über den mittels gegenständlicher Korrelate geredet werden kann. Will man stattdessen den Widerfahrenscharakter eines Er­eignisses dramaturgisch direkt inszenieren, so ist – im besten Fall, nämlich wenn die Inszenierung gelingt – das Inszenierungsereignis ein anderes Ereignis als das, an dem man den Widerfahrenscharakter vor Augen führen wollte. Wer nicht mehr über Ereignisse reden kann, aber ihren göttlichen Widerfahrenscharakter aufzeigen will, kann nur Ereignisse iterieren, ohne dass sich zeigen lässt, dass sie theologisch etwas miteinander zu tun haben. Auch das Rezipienten-Feedback, das selbst zum »magic moment«81 wird, wird dann ein anderes Ereignis sein. Ohne die theologische Explikation führt diese Ereignisiteration zur polyreligiösen Unbestimmtheit oder zum ästhetisch unverbindlichen Spiel.

Hier wird der Kunst zu viel und der Argumentation zu wenig zugetraut. Warum sollte es generell zutreffen, dass ein »Reden über« nur Abwesendes verhandelt? Und trifft nicht sogar bereits auf Schriftzeichen zu, dass sie Abwesendes nahebringen?82 Warum dann nicht das »Reden über«, das doch selbst schon Kommunika-tion unter Anwesenden ist? Die Unterstellung, dass sich »Reden über« nur auf Abwesendes bezieht, entspricht auf pragmatischer Ebene der Strategie der Dramaturgischen Homiletik, den Zuhörenden die Möglichkeit zu entziehen, der Anwesenheit Gottes in Form von Urteilen ansichtig zu werden. Sie werden als »positi-vistisch versachlichendes Wort«83 abgewertet. Dieser diskursethischen Schwäche entspricht auf dogmatischer Seite ein unzureichendes Wirklichkeitsverständnis. Denn Gott ist in der Alternative, an- oder abwesend bzw. dialektisch in seinem Abwesendsein präsent84 zu sein, nicht angemessen zu verstehen. Wäre er ein Anwesender, so müsste er ontologisch zur Kategorie der Gegenstände gehören. Gott ist aber Schöpfer und nicht Geschöpf, demnach auch kein Gegenstand. Vielmehr bildet er die Gegenständlichkeit aller Gegenstände, also das, was alle Gegenstände zu Gegenständen macht. Die Gegenständlichkeit ist damit das, was ich in Sektion II.1 so beschrieben habe, dass Fakten sind, was sie sind. Gott kann somit weder an- noch abwesend sein.

Nun gehört der »auferstandene Herr«, auf dessen Anwesendsein sich Nicol des Öfteren beruft, zur Kategorie der Gegenstände. Das trifft aber aus den eben genannten Gründen nicht auf die »göttliche Natur«85 Christi zu. Seine »menschliche Natur« wiederum ist für einen christlichen Gottesdienst nur von Bedeutung in Ver-bindung mit Gott. Die innerreformatorischen Streitigkeiten, ob Christus im Abendmahl leiblich anwesend ist oder im Heiligen Geist repräsentiert wird, basieren darauf, dass Anwesenheit etwas kategorial anderes ist als Anwesendsein. Während Christus in seiner menschlichen Natur an- oder abwesend sein kann, gilt für Gott den Heiligen Geist, dass er Anwesenheit ist, die das Abwesende einschließt und sogar durch das Abwesende besonders aufdringlich wird (Joh 16,7). Deshalb kann uns jemand besonders nahe sein, der im geometrischen Raum weit entfernt ist.86

Der christliche Gottesdienst nun ist eine Kommunikation in der Anwesenheit Gottes, ohne dabei Gott zu einem Anwesenden zu machen. Allerdings richten sich seine rituell-symbolischen Vollzüge dabei auf beides, auf An- und Abwesendes. Weil beides in Anwesenheit erfahren wird, kann auch beides zum Zeichen für Anwesenheit werden. Gottes Nähe erscheint also nicht nur in Ereignissen, die Christus zum Anwesenden werden lassen, sondern auch in solchen, in denen er abwesend wird. Wie sonst hätte der Hauptmann am Kreuz am toten Jesus seine Göttlichkeit erkennen kön nen (Mk 15,39)?87 Daraus folgt, dass ein Reden über Gott zum Offenbarungsereignis werden kann, selbst wenn es nur über abwesende Fakten und Gegenstände redet.

Die diskursethischen Anforderungen an die Predigt verlangen nun, nicht nur Moves zu inszenieren, hinter denen die Zurechenbarkeit der Predigtperson für das, was sie sagt, verschwindet. An­statt einer Dramaturgischen Homiletik kann vielmehr eine Homiletik mit dramaturgischen Anteilen theologisch sachgemäß sein. Dramaturgische Elemente können den Widerfahrenscharakter von Ereignissen im direkten Erleben des Predigtvollzugs auffällig machen, während er durch Argumente, begriffliche Rekonstruktionen oder Lebensdeutungen verstanden werden kann. Auch Verstehen beruht auf einem Ereignis mit einem Widerfahrenscharakter. Darüber hinaus behält das Verstehen seine Anwesenheit, wenn das Ereignis abgeschlossen ist und das, was verstanden worden ist, im geometrischen Raum abwesend ist. Auch die dramaturgische Predigt wird nur dann einen bleibenden Eindruck hinterlassen, wenn das Bleiben das Ereignis überdauern kann – im Modus der Anwesenheit des Abwesenden.

Lutz Friedrichs hat am Beispiel der Bestattungspredigt eine Ho­miletik mit ästhetischen Anteilen skizziert, die »Fiktionalität […] als ästhetisches Potential der […] Suche nach Wahrheit beansprucht.«88 Dabei erfüllt die Fiktion die Rolle der Horizonterweiterung, um vergessene Dimensionen des Lebens sprachlich offenzuhalten.89 Insbesondere ist hervorzuheben, dass Friedrichs auch die diskursethische Verpflichtung betont, die perlokutionären Sprechakte fiktionaler Konstruktionen transparent zu machen.90 Die Predigt wird sowohl von ihm als Deutung gewürdigt als auch vor der Gemeinde als Deutung präsentiert: »Die Wahrheit einer solchen Deutearbeit der Pfarrerin/des Pfarrers muß sich daran erweisen, ob sie die Hörenden überzeugt oder nicht.«91 Zwar wäre diese Formulierung überzogen, wenn die Wahrheit einzelner Aussagen der Predigt vom Überzeugtwerden der Hörenden abhängen würde. Richtig ist aber, dass Predigt mit einem Wahrheitsanspruch auftritt, den sie durch Überzeugungsarbeit geltend macht. Selbst in der Fiktion zeigt sich ein Tatsachenbezug, nämlich, in diesem Fall, die vergessene Dimension des Lebens darzustellen. Friedrichs orientiert sich durchaus am ästhetischen Predigtparadigma, wenn er »Szenen oder Episoden«92 hervorhebt, um Gott darin »freizuphantasieren«93. Aber diese Inszenierung hat in der bestehenden Wirklichkeit, wie verdeckt sie auch sein mag, einen klaren Referenzrahmen. Ob dieser Rahmen getroffen wird, wird für die Hörenden überprüfbar, indem sich die Predigtperson ihrem Tatsachenurteil aussetzt.

Darüber hinaus hatte ich die Analogie für das gemeinsame Potenzial der Predigt als Kunst und Tatsachenbezug im Dokumentarfilm gesehen. Nun stecken auch im Dokumentarfilm Gefahren der Manipulation, weil die Szene die behandelten Tatsachen überdecken kann. Gilles Deleuze kann dieses Genre darüber hinaus sogar als Ausdruck für die kategoriale »Abschaffung des Wahren«94 verstehen. Dennoch steht dahinter ein Anspruch auf Sachbezogenheit, die sich auch bei der Manipulation als »Macht des Falschen«95 offenbart und sich insofern der Kritik stellen muss. Dies trifft nicht nur, wie Deleuze meinte, auf das Filmereignis selbst zu (»Wahrheit gibt es als die Schöpfung von Neuem«96), sondern auch in den bestehenden Gehalten, die das Neue zutage führt und die sich von den Hörenden überprüfen lassen.

Die Predigt, die sich an dieser Vorlage orientiert, wird nicht nur zwischen Moves abwechseln, die Fiktives in Szene setzen und es mit Tatsachendeutungen oder begrifflichen Sehschärfungen abgleichen. Vielmehr wird sie die unterschiedlichen Blickwinkel auch mitinszenieren, oder in Filmsprache ausgedrückt: Der Move zeigt den Kameramann mit im Bild. Die Hörenden werden auf die jeweilige Perspektive vorbereitet, die von der Predigtperson eingenommen wird. Auf diese Weise lässt sich die Geltungsverantwortung wieder der Predigtperson zuschreiben und die Urteilskompetenz auf theologische Sachverhalte wird an die Hörenden zurückgegeben. Schließlich wird auch die Wirklichkeit in ihrer kategorialen Pluralität inszeniert: Die Inszenierung zeigt etwas, indem es widerfährt und darin Bleibendes zurücklässt. Im Bild gesprochen: Die Rezipienten sehen nicht nur eine Szene, sondern auch den Kameramann. Sie sehen also, dass die Szene als Szene auftritt – als das, was nie Gehalt sein kann, weil es sich im Szenenereignis verflüchtigt. Doch dieser Eindruck behält auch dann seine Anwesenheit. Oder theologisch ausgedrückt: Für die Predigthörenden ist die Predigt beides in einem, Ereignis, indem nachvollziehbar wahre oder mögliche Gehalte dargestellt werden. Gottes Offenbarung ereignet sich in der Welt, und die Transzendenz Gottes inkarniert sich.

IV Schlussbemerkungen


Das ästhetische Paradigma in der Homiletik hat nicht selten zu Gegenüberstellungen geführt, die die Predigtsituation verzerren. Hierzu gehört etwa die Unterscheidung des Typs, dass Prediger nicht einfach theologische Richtigkeiten zu vermitteln hätten, sondern Wirklichkeit setzen sollten.97 Sogar wenn Theologie vor einer kulturwissenschaftlichen Geringschätzung verteidigt wird, wird sie zugleich von einer deduktiv-apologetischen Form abgegrenzt, weil sie explorativ Wirklichkeit erschließen soll.98 In solchen Typisierungen wird die Theologie auch von ihrem Wahrheitsbezug herausgelöst.

Demgegenüber wollte ich mit meinem Beitrag darauf aufmerksam machen, dass zwischen wahren und falschen Gehalten und ihrem Widerfahrenscharakter kategorial zu unterscheiden ist, so dass eine plakative Alternativsetzung Inhalt versus Performance einen Kategoriefehler offenbart. Gerade wenn in einer semiotisch erweiterten Ästhetik der Zusammenhang zwischen Form und Inhalt betont wird, kann daher die Wahrheitsfrage nicht der Gattung Vorlesung überlassen bleiben. Vielmehr muss dann erst recht der Wahrheitsgehalt in Blick genommen werden, weil der Wi-derfahrenscharakter des Predigtereignisses ansonsten theologisch unverbindlich und verwechselbar bleibt.99 Form und Inhalt treffen in der Predigt deshalb zusammen, weil sie es wert ist, in zwei Kategorien zugleich in Blick genommen zu werden, die sich allein schon deshalb nicht ausschließen, weil sich Kategorien direkten Vergleichen und Konkurrenzverhältnissen entziehen. Theologisch jedoch ist die Unverfügbarkeit des Widerfahrenscharakters mit einem verfügbaren Inhalt kopräsent: Gott wird Mensch. Beides ist in jeder Rede von Gott darzustellen, also auch in der Predigt.

Abstract


The aesthetical paradigm in practical theology leads to homiletics which understands preach as art. According to the dramaturgic homiletics preacher ought to develop »moves« comparable with movies. This aesthetical turn in homiletics ignores the truth claims of Christian faith.

This essay reveals how preach as dramaturgic construction un­derestimates the theological responsibility of the preacher and the theological judgement of the listener. Both changes are based on an ontological reduction in understanding Devine reality as a pure event.

Fussnoten:

1) Oder theologisch randständige! Denn das theologische Wesen der Predigt wäre ja mit der unterstellten Familienähnlichkeit gegeben.
2) I. U. Dalferth, Religiöse Rede von Gott, München 1981, 513.
3) R. Volp, Liturgik. Die Kunst, Gott zu feiern. Bd. 2, Gütersloh 1994, 1078.
4) W. Härle, Dogmatik, Berlin u. a. 1995, 56.
5) D. Bonhoeffer, Sanctorum Communio. Dogmatische Untersuchung zur Soziologie der Kirche, München 1986 (DBW 1), 32.
6) L. Ohly, Anwesenheit und Anerkennung. Eine Theologie des Heiligen Geistes, Göttingen 2015, 80 f.
7) Auf dem ersten Blick stimmt das Konzept der Dramaturgischen Homiletik dieser Aussage zu (A. Deeg, Geist und Buchstabe. Homiletisch-hermeneutische Überlegungen zu einer schwierigen Beziehung, in: M. Nicol, A. Deeg, Bibelwort und Kanzelsprache. Homiletik und Hermeneutik im Dialog, Leipzig 2010, 73–93, hier: 91). In Wirklichkeit entzieht sich dort jedoch die Predigtperson der Verantwortung der Redenden, indem sie sich zur »Fremdenführerin« (93) macht, die zu dem führt, was andere geschaffen haben (ebd.).
8) H. Luther, Predigt als Handlung, in: A. Beutel u. a. (Hrsg.), Homiletisches Lesebuch, Tübingen 1986, 222–239, hier: 230 f.
9) Ähnlich auch R. Volp, Liturgik. Bd. 2 (Anm. 3), 1082.
10) Nicht von ungefähr ist der Zusammenhang, den I. U. Dalferth an Luther rekonstruiert hat, indem die claritas interna, die sich durch das Wirken des Heiligen Geistes ereignet, dennoch die claritas externa der philologischen Bibelauslegung erfordert und zugleich diese Klarheit an den Kontext Gottesdienst bindet, in dem die Predigt diese Klärung übernimmt (I. U. Dalferth, Jenseits von Mythos und Logos. Die christologische Transformation der Theologie, Freiburg u. a. 1993, 266).
11) M. Nicol, A. Deeg, Im Wechselschritt zur Kanzel. Praxisbuch Dramaturgische Homiletik, Göttingen 2005, 14.
12) A. Grözinger, Homiletik. Lehrbuch Praktische Theologie. Bd. 2, Gütersloh 2008, 283.
13) M. Nicol, Einander ins Bild setzen. Dramaturgische Homiletik, Göttingen 22005, 55.
14) S. Percze, Wie der Feind zur Muse wurde. Zur Bedeutung des Films für die Predigt; in: M. Nicol, A. Deeg, Bibelwort und Kanzelsprache. Homiletik und Hermeneutik im Dialog, Leipzig 2010, 159–169, hier: 165.
15) A. Rinn, Die Kurze Form der Predigt. Interdisziplinäre Erwägungen zu einer Herausforderung für die Homiletik, Göttingen 2016, 173; P. Meyer, Predigt als Sprachgeschehen gelebt-religiöser Praxis, Tübingen 2014, 23.
16) M. Nicol, A. Deeg, Im Wechselschritt zur Kanzel (Anm. 11), 130.
17) K. Oxen, Lernort Homiletische Fortbildung(en). Ateliers und Werkstätten im Zentrum für Predigtkultur; in: P. Meyer, K. Oxen (Hrsg.), Predigen lehren. Methoden für die homiletische Aus- und Weiterbildung, Leipzig 2015, 78–85, hier: 83.
18) Im methodischen Kompendium von P. Meyer, K. Oxen (Hrsg.), Predigen lehren (Anm. 17), werden fast ausschließlich kreative Methoden zur Phantasieanregung vorgestellt, während Methoden zur theologisch-inhaltlichen Ausgestaltung zurücktreten, was auch ausdrücklich in der Einleitung unterstrichen wird (P. Meyer, K. Oxen, 13–30, hier: 27). Daneben legen etliche Beiträge die Dramaturgische Homiletik als Basisreferenz zugrunde (83.133.163.287).
19) G. M. Martin, Offene Kunstwerke schaffen, in: R. Charbonnier, K. Merzyn, P. Meyer (Hrsg.), Homiletik. Aktuelle Konzepte und ihre Umsetzung, Göttingen 2012, 102–118, hier: 105; M. Meyer-Blanck, B. Weyel, Studien- und Arbeitsbuch Praktische Theologie, Göttingen 2008, 194; W. Engemann: Einführung in die Homiletik, Tübingen u. a. 2002, 316.
20) W. Engemann, Predigt als Schöpfungsakt. Zur Auswirkung der Predigt auf das Leben eines Menschen, in: Ders. (Hrsg.), Theologie der Predigt. Grundlagen – Modelle – Konsequenzen, Leipzig 2001, 71–92, hier: 85; G. M. Martin, Offene Kunstwerke schaffen (Anm. 19), 104; M. Meyer-Blanck,B. Weyel, Studien- und Arbeitsbuch Praktische Theologie (Anm. 19), 114.
21) W. Engemann, Predigt als Schöpfungsakt (Anm. 20), 80.
22) L. Wittgenstein, Philosophische Untersuchungen, § 38.
23) M. Nicol, Einander ins Bild setzen (Anm. 13), 108.
24) M. Nicol, A. Deeg, Im Wechselschritt zur Kanzel (Anm. 11), 129; S. Percze, Wie der Feind zur Muse wurde (Anm. 14), 165.
25) S. Percze, Wie der Feind zur Muse wurde (Anm. 14), 165; M. Nicol, Einander ins Bild setzen (Anm. 13), 35.
26) S. Percze, Wie der Feind zur Muse wurde (Anm. 14), 167.
27) Vgl. G. Deleuze, Das Bewegungs-Bild. Kino 1, Frankfurt 1989, 16.
28) M. Nicol, Einander ins Bild setzen (Anm. 13), 60 f.
29) Daher muss Christoph Schwöbel ausdrücklich dazu mahnen, angesichts von Intertextualität die referenzielle Struktur biblischer Rede im Auge zu behalten (Chr. Schwöbel, Wie biblisch ist die Theologie? Systematisch-theologische Bemerkungen zur Themafrage; in: M. Ebner u. a [Hrsg.], Jahrbuch Biblische Theologie 25; Neukirchen-Vluyn 2011, 7–18, 15).
30) M. Nicol, A. Deeg, Im Wechselschritt zur Kanzel (Anm. 11), 184.
31) A. a .O., 14.
32) M. Nicol, Einander ins Bild setzen (Anm. 13), 62.
33) Gegenüber dem Signifikat ist vielmehr der Signifikant zu stärken (A. Deeg, Geist und Buchstabe [Anm. 7], 78).
34) L. Ohly, C. Wellhöfer, Ethik im Cyberspace, Frankfurt 2017, 141.
35) P. Meyer, Predigt als Sprachgeschehen gelebt-religiöser Praxis (Anm. 15), 274.
36) W. Harnisch, Die Gleichniserzählungen Jesu. Eine hermeneutische Einführung, Göttingen 21990, 67.109.
37) A. a. O., 61 f.
38) D. Korsch, Dogmatik im Grundriß; Tübingen 2000, 166.
39) A. Grözinger, Mit den Sinnen sprechen; in: R. Charbonnier, K. Merzyn, P. Meyer (Hrsg.), Homiletik (Anm. 19), 153–165, hier: 154; M. Meyer-Blanck, Evangelium zeigen, in: R. Charbonnier, K. Merzyn, P. Meyer (Hrsg.), Homiletik (Anm. 19), 137–152, hier: 137; W. Engemann, Einführung in die Homiletik (Anm. 19), 118.
40) I. U. Dalferth, Religiöse Rede von Gott (Anm. 2), 230.
41) A. Nusselder, Interface Fantasy. A Lacanian Cyborg Ontology, Cambridge u. a. 2009, 28.
42) L. Ohly, Theologie als Wissenschaft. Eine Fundamentaltheologie, Frankfurt 2017, 203 f.
43) Tarskis Wahrheitskriterium »p« = p impliziert, dass Wahrheit als Zwischeninstanz zwischen Aussage und Sachverhalt fungiert. Damit ist sie weder selbst ein Gegenstand in der Welt noch ein sprachlicher Ausdruck. Daraus folgt zwar, dass Wahrheit von sprachlogischen Metaregeln abhängt (E. Tugendhat, U. Wolf, Logisch-semantische Propädeutik, Stuttgart 1993, 227.230). Jedoch liegen diese als Metaregeln auf einer anderen logischen Ebene als Aussagen über Sachverhalte. Im ästhetischen Predigtparadigma droht jedoch eine zirkuläre Selbstbewahrheitung auf der Aussageebene selbst.
44) G. Deleuze, Das Zeit-Bild. Kino 2, Frankfurt 1997, 19.
45) Hier zeigt sich die Selbstverortung der New Homiletic in der Wort Gottes-Theologie (P. Meyer, Predigt als Sprachgeschehen gelebt-religiöser Praxis [Anm. 15], 274).
46) Ebd.
47) A. Rinn, Die Kurze Form der Predigt (Anm. 15), 173.
48) M. Nicol, A. Deeg, Im Wechselschritt zur Kanzel (Anm. 11), 14.
49) K. Barth, KD I/2, 329.
50) L. Ohly, Theologie als Wissenschaft (Anm. 42), 103.
51) L. Ohly, Schöpfungstheologie und Schöpfungsethik im biotechnologischen Zeitalter, Berlin 2015, 62.
52) K. Barth, KD I/2, 294.
53) So auch M. Nicol: »Predigt ist insofern Ereignis, als die Gegenwart des auferstandenen Herrn nur als Ereignis wahrgenommen werden kann« (Einander ins Bild setzen [Anm. 13], 51).
54) L. Ohly, Theologie als Wissenschaft (Anm. 42), 121.
55) L. Ohly, Schöpfungstheologie und Schöpfungsethik im biotechnologischen Zeitalter (Anm. 51), 5.20.
56) Nicht dagegen in ihrer relativen! Dass sich Fakten ändern können, muss keine theologischen Gründe haben. Die absolute Beständigkeit von Fakten liegt aber darin, dass sie sind, was sie sind – und zwar wie immer sie gerade sind.
57) Chr. Grethlein, Praktische Theologie als Theorie der Kommunikation des Evangeliums in der Gegenwart – Grundlagen und Konsequenzen, IJPT 18 (2014), 287–304, hier: 295.
58) A. Rinn, Die Kurze Form der Predigt (Anm. 15), 173. M. Nicol, Einander ins Bild setzen (Anm. 13), 63.
59) M. Nicol, A. Deeg, Im Wechselschritt zur Kanzel (Anm. 11), 136.
60) M. Nicol, Einander ins Bild setzen (Anm. 13), 127.
61) A. a. O., 128.
62) A. a. O., 131.
63) J.-L. Marion, The Event or the Happening Phenomenon; in: Ders., In Excess. Studies of Saturated Phenomena, New York 2002, 30–53, hier: 51.
64) M. Nicol, A. Deeg, Im Wechselschritt zur Kanzel (Anm. 11), 137.
65) A. a. O., 185.
66) A. Smith, Theorie der ethischen Gefühle. Hrsg. v. H. D. Brandt, Hamburg 2010, 32 f.
67) K. O. Apel, Das Apriori der Kommunikationsgemeinschaft und die Grundlagen der Ethik. Zum Problem einer rationalen Begründung der Ethik im Zeitalter der Wissenschaft, in: Ders., Transformation der Philosophie. Bd. 2: Das Apriori der Kommunikationsgemeinschaft, Frankfurt 1976, 358–435, hier: 409; J. Habermas, Moralbewußtsein und kommunikatives Handeln, Frankfurt 51992, 109 ff.
68) K. O. Apel, Grenzen der Diskursethik? Versuch einer Zwischenbilanz, Zeitschrift für philosophische Forschung, 40 (1986), 3–31, hier: 7.
69) Chr. Grethlein, Praktische Theologie als Theorie der Kommunikation des Evangeliums in der Gegenwart (Anm. 57), 301 f.
70) I. U. Dalferth, Kombinatorische Theologie. Probleme theologischer Rationalität, Freiburg u. a. 1991, 50.
71) M. Nicol, Ereignis und Kritik. Praktische Theologie als hohe Schule der Gotteskunst, ZTHK 99 (2002), 226–238, hier: 236. Ähnlich stellt Deeg den Vollzug dem Begriff qualitativ gegenüber: »Müsste dann nicht aber die Beschreibung, was ›Sinn‹ bedeutet, dahingehend modifiziert werden, dass sein begrifflicher Charakter eingeschränkt würde?«, in: A. Deeg, Das äußere Wort und seine liturgische Gestalt. Überlegungen zu einer evangelischen Fundamentalliturgik, Göttingen 2012, 356 (Herv. A. D.).
72) Bei Nicol wird der Ausdruck »kategorial« ebenfalls verwendet, um diese Differenz zu beschreiben (M. Nicol, Einander ins Bild setzen [Anm. 13], 55), allerdings doch wohl eher als emphatischer Ausdruck, um den Gegensatz zu unterstreichen. Denn »Reden über« und »Reden in« werden gegeneinander ausgespielt (52).
73) M. Nicol, Einander ins Bild setzen (Anm. 13), 54.
74) Ebd.
75) Ebd.
76) M. Nicol, Einander ins Bild setzen (Anm. 13), 44; A. Deeg, Das äußere Wort und seine liturgische Gestalt (Anm. 71), 446.
77) A. Deeg, Das äußere Wort und seine liturgische Gestalt (Anm. 71), 530.
78) Ebd.
79) A. Deeg, Das äußere Wort und seine liturgische Gestalt (Anm. 71), 408 f.
80) A. a. O., 444.
81) M. Nicol, Einander ins Bild setzen (Anm. 13), 125 (Herv. M. N.).
82) U. H. J. Körtner: Exegese, Tod und Leben. Zur Hermeneutik des Todes und der Auferstehung biblischer Texte, ZTHK 102 (2005), 312–332, hier: 323.
83) A. Deeg, Das äußere Wort und seine liturgische Gestalt (Anm. 71), 444.
84) A. a. O., 403.
85) Trinitätstheologisch ist mit der Gegenständlichkeit der Sohn Gottes zu identifizieren (L. Ohly, Schöpfungstheologie und Schöpfungsethik im biotechnologischen Zeitalter [Anm. 51], 42 ff.), also das, was in der christologischen Tradition die »göttliche Natur« genannt wird. Somit kann die göttliche Natur nicht anwesend sein.
86) L. Ohly, Anwesenheit und Anerkennung (Anm. 6), 30 f.
87) L. Ohly, Was Jesus mit uns verbindet. Eine Christologie, Leipzig 2013, 137.
88) L. Friedrichs, Gott »freiphantasieren«. Ästhetische Impulse für biographische Bestattungspredigten, ZTHK 101 (2004), 358–378, hier: 371.
89) A. a. O., 372.
90) Ebd.
91) L. Friedrichs, Gott »freiphantasieren« (Anm. 88), 373.
92) Ebd.
93) L. Friedrichs, Gott »freiphantasieren« (Anm. 88), 374.
94) G. Deleuze, Das Zeit-Bild (Anm. 44), 179.
95) A. a. O., 191.
96) A. a. O., 194.
97) W. Engemann, Predigt als Schöpfungsakt (Anm. 20), 79 f.; Ders., Einführung in die Homiletik (Anm. 19), 118. K. Scholl, Predigt-Slam. Religion ins Spiel bringen, in: P. Meyer, K. Oxen (Hrsg.): Predigen lehren (Anm. 17), 108–113, hier 112; M. Meyer-Blanck, B. Weyel, Studien- und Arbeitsbuch Praktische Theologie (Anm. 19), 198.
98) A. Deeg, Das äußere Wort und seine liturgische Gestalt (Anm. 71), 548.
99) D. Plüss, Texte inszenieren; in: R. Charbonnier, K. Merzyn, P. Meyer (Hrsg.), Homiletik (Anm. 19), 119–136, hier: 127; M. Meyer-Blanck, Evangelium zeigen (Anm. 39), 140. W. Engemann, Predigt als Schöpfungsakt (Anm. 20), 75.