Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

März/2016

Spalte:

226-228

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Autor/Hrsg.:

Stephan, Bernd, u. Martin Lange[Hrsg.]

Titel/Untertitel:

Wortwechsel. Das Kolloquium zum 475. Geburtstag der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens 2014.

Verlag:

Annaberg-Buchholz: Ev.-Luth. Kir­chgemeinde Annaberg-Buchholz 2015. 207 S. Kart. EUR 35,00.

Rezensent:

Karl-Hermann Kandler

Die sächsische Landeskirche feierte ihr Jubiläum in der Stadt, in der Herzog Heinrich der Fromme nach dem Tod seines Bruders Georg des Bärtigen in Anwesenheit von Melanchthon die Reformation 1539 im albertinischen Sachsen einführen ließ. Er hatte sie schon 1537 in seinem Herrschaftsgebiet Freiberg einführen lassen. Die Vorträge des aus diesem Anlass durchgeführten Kolloquiums liegen nun gedruckt vor.
Enno Bünz thematisierte in seinem Festvortrag »Kirchliches Leben und Laienfrömmigkeit im vorreformatorischen Annaberg«. Diese Stadt hatte Georg um 1495 anlässlich reicher Silberfunde in diesem Gebiet gegründet, sie war »seine Stadt«. Er hatte wenig Freude an ihr, weil die reformatorische Bewegung Unruhen verursachte, deren er nicht Herr wurde. Im Mittelpunkt ihres geistlichen Lebens stand die großartige Kirche St. Annen, hier konzentrierte sich das religiöse Leben der Stadt. Die lutherische Reformation behielt ihre reiche Ausstattung weithin bei.
Lothar Klapper untersucht die innerstädtischen Unruhen, die getragen wurden vor allem durch die Knappschaft. Rainer Gebhardt informiert über Adam Ries und die Reformation. Trotz seiner Hinneigung zur Reformation verblieb er in seinen Ämtern, andere reformatorisch Gesinnte mussten sie aufgeben. Alexander Bartmuß berichtet über »Bürger und Geistlichkeit in Annaberg bis zur Einführung der Reformation«. Begünstigt durch die Nähe der zum ernestinischen Gebiet gehörenden Stadt Buchholz, in der die Reformation früh Einzug hielt, verbreitete sich ungehindert reforma-torisches Gedankengut. Viele Annaberger nahmen am lutherischen Gottesdienst in Buchholz teil. Die Annaberger Stadtpfarrer, geistlich nicht motiviert, richteten wenig gegen sie aus. Manche Altaris­ten, Mönche und Kapläne wandten sich vielmehr der Reformation zu. Vor allem gilt dies für den Franziskaner Friedrich Mykonius, der 1524 sogar inhaftiert wurde. Ihm gelang eine spektakuläre Flucht. Zeitweise hat er vor tausend Kirchgängern in Buchholz gepredigt. Später Reformator von Gotha, war er 1539 Prediger in Annaberg.
Zu den Beziehungen über die Grenze hinweg nach Böhmen berichten Petr Hlavácek und Stephan Schmidt-Brücken. Zwischen Joachimsthal (1516 gegründet) und Annaberg gab es zahlreiche Verbindungen. Luthers Schüler Johann Mathesius hat später das kirchliche Leben der böhmischen Bergstadt und darüber hinaus bestimmt.
Karsten Richter sprach über »Niedergang und Auflösung des Klosters Grünhain«. Es wurde vom Kloster Buch gegründet und von Sittichenbach besetzt (das wird im Text nicht auseinandergehalten). Michael Wetzel widmet sich dem Thema »Die Herren von Schönburg und die Reformation in der Herrschaft Hartenstein«. Die Schönburger haben die Reformation zuerst unterdrückt; erst 1542 konnte sie aus Druck von unten in ihrem Herrschaftsgebiet eingeführt werden.
Christian Winter widmet sich dem Thema »Herzog Georg von Sachsen und ›seine‹ Stadt Annaberg«. Hier gibt es zahlreiche Wiederholungen zu bereits Gesagtem. Chronologisch überliefert ist die Aussage, Herzog Georg sei seinem geliebten Annaberg im Jahre 1538 sehr feind geworden, »in grundt wegen des, daß die Bürger sehr Evangelisch oder Lutherisch geworden«. Diesem Aufsatz korrespondiert der von Konstantin Enge »Herzog Heinrich von Sachsen und die Reformation im Freiberger Ländchen«. Hier sind einige Korrekturen nötig: Hieronymus Weller starb nicht 1525, sondern 1572; die städtische Lateinschule wurde 1515 durch Johann Rhagius ge­gründet; Rivius wurde erst als Rektor 1537 nach Freiberg berufen.
»Die reformatorische Bewegung im ernestinischen Sachsen und ihr Übergreifen auf Buchholz« behandelt Armin Kohnle. In Zwickau war es der Rat, der die Reformation durchsetzen wollte. Wohl gab es keine evangelische Bewegung frei von obrigkeitlichen Eingriffen, aber die lokalen Herrschaftsträger waren doch ein entscheidender Faktor dabei.
Bernd Stephan stellt fest, dass mit der Einführung der Reformation in Annaberg »eine Festung fällt«, die Stadt, in der gegen alle Repressalien durch Herzog Georg längst ihre Einwohner der Reformation innerlich zumeist zugetan waren. Andrea Kramarczyk wendet sich noch einmal Rivius zu – und zwar als Lehrer und Rektor in Annaberg.
Thilo Daniel behandelt »Gründung und überregionale Bedeutung der alten Ephorie Annaberg«: »Die jungen Bergstädte waren allesamt dabei, ihren Weg zu finden. Die Reformation war ein Motor dieser Bewegung.« Wilfried Härle referierte über »Reformatorische Verkündigung – damals und heute« und stellt dabei die Lehre von der Rechtfertigung des Sünders ganz in den Mittelpunkt. Der finnische Gast Sammeli Juntunen nennt die »Reformatorische Theologie – Chance für unsere Kirche«. Er kritisiert das heutige Er­scheinungsbild der lutherischen Kirche – nicht nur in Finnland: Wir sollten »die heute unangenehme reformatorische Wahrheit akzeptieren, daß es in der wahren Kirche einen Unterschied zwischen wahrer und falscher Lehre gibt«.
Abschließend bestätigt Frank Schmidt »Tradition und Kontinuität als Merkmal der lutherischen Reformation. Die Bewahrung der Innenausstattung von St. Annen«. Ja, gerade in dieser Kirche bewahrheitet sich der Satz von der »bewahrenden Kraft des Luthertums«.
Insgesamt eine würdige und interessante Festschrift.